Singapur

 

Der Taxifahrer und ich kamen schnell ins Gespräch. Er war ein aufgeschlossener und freundlicher Mann und begann mich gleich in die Geschichte Singapurs einzuführen. Ich vergaß für kurze Zeit mein Problem mit der Weiterreise und lauschte seinen Erklärungen.

 
Ich hatte scheinbar, das Luxuspaket erworben. Taxifahrt mit Führung und frechen Sprüchen. So wie ich es am liebsten habe. Er zeigte mir auf dem Weg einige neue Gebäude, alte Kirchen und erzählte von den harschen Räumungsarbeiten der Regierung. Eine gewisse Frustration, war seinen Worten zu entnehmen. Doch er blieb die ganze Fahrt über entspannt. Er fragte zu meinem Standpunkt zu Trump. Ich sagte ihm, dass Politik nicht mein Fach sei. Kleiner Tipp von mir, vermeiden Sie in jedem ersten Gespräch die Themengebiete: Politik, Religion, Sexuelle Neigungen und der Sinn des Lebens oder des Todes. Sorgt nur für unnötige Spannungen. Lernen sie die Person vorher besser kennen, um sie richtig einschätzen zu können, sonst kriegen sie, wie ich in Russland, eine auf’s Maul.

Das Taxi setzte mich direkt vor dem Hostel ab. Mit fünfundzwanzig Singapur Dollar, kam ich überraschen günstig davon für ein zwanzig minütige Fahrt. Ab diesem Moment wüsste ich, dass ich hier leben würde wie ein Gott. Taxis, leckeres Essen und schöne Orte, sollte es für mich heißen. Das Hostel war ein mehrstöckiges Gebäude mit einer kleinen Terrasse im zweiten Stock und einem unabhängigen Restaurant im Ersten. Ich betrat das Hostel, bekam meinen Schlüssel und fuhr im Aufzug hoch in den zweiten Stock. Auf dem Weg zum Zimmer, fragte ich mich, wie richtig die Entscheidung war, das Zimmer mit mehreren Personen zu teilen. Es stellte sich später, als Segen und Fluch – eher Fluch - zu gleich raus. Als ich ihm Zimmer ankam, waren nur zwei der sechs Bette mit Klamotten bedeckt. Mein Bett war ganz hinten links im Zimmer. Ich schmiss mich hinein, verstaute mein Hab und Gut im Safe und sah durch das Zimmer. ›Drei Tage. Drei Tage sollten kein Problem sein‹, dachte ich mir. Ich muss lachen, wenn ich das lese. Es sollten zwei schlaflose Nächte werden.

Da es noch morgens war, ging ich raus und merkte, wie die Sonne mich medium raw grillte. Ich war zum servieren bereit. Dank meiner App und einigen Lokalen mit Wlan, fand ich die richtigen Buslinien und fuhr zur Orchard Road. Spazierte und aß dort ein wenig und fuhr mit einem Bus weiter zur Clarke Quay. Einer Hafengegend. Dort saß ich mich in ein Starbucks und sah mir die vielen asiatischen Menschen an. Es war schon ein Anblick. Sie alle schienen so viele Gemeinsamkeiten zu haben, doch sprachen die meisten von ihnen Englisch miteinander. Ich realisierte, dass sie nichts anderes waren, als ein großes Europa. Menschen aus verschiedensten Regionen, die alle unterschiedliche Sprachen gewohnt waren. Es wäre rassistisch sie alle gleich zu setzten, trotz der äußerlichen Ähnlichkeit. Ich griff Stift und Papier und überlegte, was ich machen wollte. Spontan kamen mir ein Kampfsportkurs, eine Partynacht und der Gardens by the bay in den Sinn. Ich packte meine Liste weg und begann, weiter an meinem Buch zu schreiben. Ich schrieb, wie verrückt, nahm einen Schluck und ließ kurz meinen Blick durch den Laden schweifen. Eine junge hübsche Asiatin kreuzte meinen Blick. Wir lächelten uns kurz an und ich schrieb weiter. Plötzlich setzte sie sich neben mich hin und schloss ihr Handy an eine Steckdose zu meiner Linken. Ich blieb stumm und schrieb weiter, doch konnte ich ihren Blick auf mein Papier spüren. Ich sah sie an und sie fragte lächelnd, was ich da mache. Ich erzählte ihr, dass ich an diesem Buch schrieb. Sie fuhr auf in Begeisterung und fragte mich nach dem kompletten Inhalt. Süßes Mädchen. Chu - hieß sie denk ich. Ja irgendwie so. Sie erzählte mir von ihrer Liebe für Bücher und ihrem Studium in International Management. Die Tatsache, dass ich alleine Reise, schien sie anzuturnen, denn sie rutsche förmlich näher. Sie erklärte meinen Arm zum nächsten Themengebiet und bemerkte, dass ich wohl oft trainieren musste. Eine Erkenntnis, die nur halb wahr ist, doch nahm ich das Kompliment dankend an. Sie fragte, wie meine Planung aussehe. Kurz und knapp, sagte ich das es keine gab und wir tauschten die Nummern aus. Ja ich weiß. Tom und eine Studentin. Schäm dich. Hey, ich bin auch nur ein Mann. Sie wahr zweiundzwanzig und schön. Wenn, dass nicht als Ausrede ausreicht, dann bin ich halt schuldig. Doch beruhigen Sie sich bitte, es wurde nichts draus. Mein Handy, war in Singapur so nutz voll wie blinder Pilot. Nichts gegen Blinde. Ich habe einen riesigen Respekt vor diesen Menschen. Ehrlich. Aber zurück zur Geschichte.

Ich verabschiedete mich und fuhr mit dem Bus durch die Stadt, weiter zu Marina Bay. Ein riesiges Hotelkomplex auf dessen Spitze eine schiffsförmige Plattform ragte. Einfach Atemberaubend. Ich fuhr gegen eine Gebühr hinauf und sah über Singapur. Wahnsinns Ausblick. Auch, wenn ich hin und wieder Höhenangst bekam.

Der nächste Spot, war der Gardens by the bay. Eine Mischung aus Jurassic Park und Fantasy World. Am Abend spielten sie Lichtshows mit Musik ab. Doch ich sah mir nur ein Teil davon an, da ich weiter wollte. Während ich meinen Heimweg antrat, betrachtete ich die vielen Pärchen und Familien und fühlte mich seelisch leer. Sie alle teilten diese Erlebnisse gemeinsam. Ich hatte niemanden mit denen ich meine Momente und Erfahrungen teilen konnte. Niemand der mit mir am Hafen saß und die bunt leuchtenden Restaurants betrachtete. Niemand der mit mir in Sentosa am Strand lag. Ich war ein einsamer Mann, der durch eine fremde Stadt streifte.

Im Hotel angekommen lernte ich meine zwei Zimmer Bewohner kennen. Mickey aus Thailand und Arwin aus ... habe ich vergessen. Tut mir leid. Arwin und ich wechselten nicht viele Worte. Doch Mickey wuchs mir förmlich ans Herz. Ein junger und freundlicher Mann. Er erzählte von seiner einmonatigen Beziehung und seinen Erlebnissen und Eindrücke von Vietnam. Ich verstand nicht jedes Wort, aber genug, um zu wissen, das er ein guter Kerl war. Am Abend bereitete ich mich mit etwas Gin Tonic auf das Nachtleben in Singapur vor.

Ich hatte mir im Internet, bereits einige Plätze herausgesucht und nahm ein Taxi, ab der Seleny Road. Sollten Sie mal in Singapur sein, nehmen sie unbedingt Taxis. Nicht, weil sie günstig sind, sondern weil jede Fahrt, ein Abenteuer für sich ist. Ich bin gefühlte acht Mal gefahren, während meines Aufenthaltes hier und jedes Mal ging es, um die rasante Entwicklung Singapurs, amerikanische Frauen und Ladyboys. Besonders Ladyboys, waren ein heißdiskutiertes Thema. Ich sollte bei jeder Frau dreimal hinschauen. Besonders, wenn sie aus Thailand kämen. Die Ärzte in Thailand seien ausgezeichnete Spezialisten. Auch mein Taxifahrer diskutierte mit mir über dieses Thema. Er setzte mich neben einem Club ab und ich erlebte meine erste Nacht in Singapur. Ich kannte die asiatische Feierlaune, bereits aus Japan, doch in Singapur ging es noch eine Stufe höher. Ich lernte einige nette Leute kennen, deren Namen sich schneller verabschiedeten, als mein Bargeld. Ich verließ den Laden kurzer Zeit später, da mir die Leute zu jung worden und ich die Einsamkeit in so einem Ort nicht schätze. Ich wollte schon wieder Heim, als ich eine wunderschöne blonde Frau in einem Pub sah. Sie saß draußen mit einer Freundin. Ich ging an ihr vorbei und unsere Blicke kreuzten sich und ich wusste, dass ich sie kennenlernen musste. Also drehte ich mich um, ging zu ihnen und fragte, ob sie wüsste, wo man sich hier gut amüsieren kann. Gott sei Dank, schluckten sie den Köder und die Hübsche erklärte mir ausführlich, wo ich was vorfand. Ich saß mich zu ihnen und fand heraus, dass beide aus Deutschland waren. Ich erzählte von meinen Erlebnissen in München und beide lachten. Sie lobten meine (mangelnden) Deutschkenntnisse. Ihre Namen, habe ich noch am selben Abend vergessen. Tun Sie sich ein Gefallen und wiederholen sie neue Namen im Kopf, sofort nach deren Kenntnisnahme. Das hilft wirklich. Versprochen. Die Blonde gab mir einen Zettel mit lauter Adressen, wir verabschiedeten uns und ich fand mich wieder allein vor. Das war wirklich großer Mist. Ich hätte mich mehr anstrengen sollen. Aber so ist das Leben. Manchmal gewinnt man, manchmal nicht. Doch jeder Versuch, ist ein Schritt vorwärts. Im Hotel angekommen fiel ich wieder in meinen geliebten komatösen Schlaf. Ja, ich glaube auch, dass das nicht gesund ist. Doch lassen Sie das bitte mein Problem sein. Gegen halb fünf, wurde ich kurz wach und sah das Mickey uns verließ. Wir verabschiedeten uns und ich fiel für zwei Stunden zurück in mein Koma. Drei Stunden Schlaf insgesamt. Super Gesund. Ganz ehrlich.

 

Am Morgen sah ich, dass ein neuer Zimmerbewohner, dazu gestoßen war und Arwin auch weg war. Jetzt blieben ich und ein etwa gleichaltriger Chinese. Der Unterschied; ihn sah man sein Alter an. Wir wechselten kaum Worte. Er zog es vor, die Namen ungenannt zu lassen. Wie aufregend, was? Jedenfalls, verließ ich das Zimmer schnell, um etwas Freiraum zu erlangen. Heute würde ich den Kampfkurs besuchen. Warum ausgerechnet einen Kampfkurs. Weil ich was neues machen wollte. Ich wollte meine Grenzen testen. Im Nachhinein, hätte ich mich besser informieren sollen, bevor ich die Halle betrat. Dann hätte ich gewusst, dass das heutige Training von einem Turnier gefolgt sei. Doch ich behielt es mir vor, dumm genug zu seien, um mich sogar auf die Teilnehmerliste einzuschreiben. So saß ich umgezogen in Shorts und T-Shirt auf der Bank, in der Halle und schwitze bereits jetzt wie ein Schwein. Ein dickerer, freundlicher Thailänder kam auf mich zu und sprach mich, in einem Mix aus Thailändisch, Kampfsportjargon und Englisch an. Am Ende verstand ich Null. Ich ahmte nur seine Übungen nach und die hatten es in sich. Ich war wohl der Älteste in der Halle und das spürte ich jede Sekunde. Trotzdem ließ ich nicht nach und kämpfte weiter. Mein Trainer schien meine Statur zu loben. Jedenfalls, entnahm ich dies seinen Gesten. Die Kinder um mich herum schienen, wie Superhelden im Vergleich zu mir. Ja, ich fühlte mich schon mal stärker. Plötzlich ertönte eine Glocke und alle formierten sich. Ich sah hektisch umher und stellte mich blind in einer Reihe dazu. Auf dem Ring, der in der Mitte der Halle stand, stieg ein muskulöser, tätowierter, blonder Thailänder rein.

Er sprach etwas auf Malaysisch und der Erste in der Reihe stieg mit dem Zweiten in den Ring. Der blonde Thailänder instruierte sie und machte Platz. Die Kämpfer fingen an aufeinander los zu gehen und eine Reihe von Roundhousekicks und Uppercuts wirbelte durch den Ring. Der Kampf ging so schnell vorbei wie er anfing. Der Erste gewann und die nächsten Zwei betraten den Ring. Und so ging es Kampf für Kampf. Ich fing an zu realisieren, das mir das auch bevorstand. Ich wollte die Schlange verlassen, doch der Trainer raunzte mich auf Malaysisch an und ich entschied zitternd in der Reihe stehen zu bleiben. Der Moment der Wahrheit kam und ich betrat mit einem, etwa fünfzehn jährigen, glatzköpfigen Jungen den Ring. Er war der dünnste in der ganzen Halle. Ich wirkte, wie Arnie im Vergleich zu ihm. Wenigstens soviel Glück hatte ich. Wir nahmen Stellung und ich versuchte im Schnelldurchlauf alle Bewegungen Revue passieren zu lassen. Die Glocke ertönte und der Junge kam sofort auf mich zu. Bevor ich etwas mitbekam, gab er mir einen markerschütternden Sidekick gegen den Kopf. Wow! Trotz des Kopfschutzes, hatte das gezogen. Ich spürte, wie meine Sicht kurz verschwamm. Und bevor ich mich fassen konnte, regnete es eine Abfolge an chaps und kicks. Ich fühlte mich wie in Roadhouse. Nur war er Patrick Swayze und ich, einer der erfolglosen Schläger. Er gab mir einen pushkick, der mich kurz aufwürgen lies. Ich betete zu Gott, dass ich überleben möge. Die Menge jubelte und der blonde Thailänder lachte. Mein Trainer rief irgendwelche Befehle. Nur verstand ich kein Wort. Ein kurzer Moment der Wut erfüllte mich und ich holte mit voller Wucht aus und gab ihm einen Chap mitten ins Gesicht. Er stolperte nach hinten und die Anderen hielten den Atem an. Der blonde Thailänder sah mich streng an. Blut tropfte aus der Nase des Jungen. Hatte ich gerade wirklich einem Kind die Visage poliert? Ich konnte mein Gewissen nicht lange befragen, denn er schrie plötzlich los und griff mich an. Diesmal wurde aus Roadhouse Shining. Er ließ meine Nase bluten und blaue Flecken meinen Körper schmücken, wie die Milka Kuh. Der Junge nahm das gesetzt „Auge um Auge“ viel zu ernst. Ein Glockenschlag rettete mein Leben. Ich lag auf dem Boden mit offenen Augen. Der Blonde Asiate fing an mich auszuzählen und in meinem Kopf liefen, im rasanten Tempo, alle meine Niederlagen ab. Ich hatte zu viel verloren, um mir von einem Knilch den Hintern aufreißen zu lassen. Obwohl, ich hätte lieber liegen bleiben sollen, stand ich auf. Der Junge knackste sein Kopf zu beiden Seiten und spuckte Blut auf den Boden. Ich fühlte mich wie Rocky Balboa. Die letzte Runde, sollte an mich gehen. Ich trat vor und er gab mir heftige Hiebe. Für eine Zeit fühlte ich mich Scheintot. Ich atmete ein und packte all meine Kraft in einen letzten Hieb, denn für mehr würde es nicht mehr ausreichen und schlug zu. Ich traf daneben. Er stand direkt vor mir, wie konnte man da daneben hauen? Mal ehrlich. Ich flog gegen die Bande und wurde mit dem Ellbogen gegen seine Schläfe zurückgeworfen. Er fiel um und blieb liegen. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Sollte er wirklich ausgezählt werden, wäre das der peinlichste Sieg der Geschichte. Es sollte sich bewahrheiten und er wurde ausgezählt. Wow. Ich hatte tatsächlich ausversehen einen fünfzehn Jährigen ausgeknockt. Chan, so hieß er, galt als bester im Kurs. So wurde es mir nachher erzählt. Ich nahm meine Urkunde und ein kleines Preisgeld entgegen und humpelte zum Taxi. Der Taxifahrer wusste nicht, ob er mit mir ins Krankenhaus oder zum Hostel sollte. Es endete beim Hostel. Wo der richtige Spaß, erst begann.

Ich versprach mir etwas ruhe und wollte erst Duschen gehen. Die Duschen, müssen Sie wissen, standen dem gesamten Stockwerk zur Verfügung. Privatsphäre, war hier Fehlalarm. Es war zum Glück niemand da und ich begab mich in die Mittlere, der drei Duschen. Mein Körper fühlte sich an, wie ein frisch gepflügter Acker. Ich konnte keine Stelle berühren und kein Glied bewegen, ohne das Schmerzsignale, durch meinen Körper fuhren. Der Junge hatte sich an mir ordentlich ausgetobt. Ein Stressbewältigungs-Kurs, wäre bei ihm nicht ganz unangebracht. Jedenfalls beendete ich das schmerzhafte Duschen und kam aus der Kabine. Ein Asiate betrat den Raum. Ich band mir schnell mein Tuch um die Hüfte und suchte meine Klamotten. Er zog sich vorsichtig aus und mir passierte der Fehler, meines Lebens. Ich blickte kurz zu ihm. Ich sah Gott sei Dank, nichts was ich nicht sehen sollte, doch er nahm dies anders war. Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm, um mich anzuziehen und spürte, wie er mir näher kam. Ich drehte meinen Kopf und hörte ihn fragen, ob er nun auch sehen dürfte. Mir blieb das Herz stehen und ich fragte, was er meine. Er wiederholte mit piepsiger Stimme, ob er bei mir jetzt auch einen Blick werfen dürfe. Ich war schockiert und sah vor mir meine Gefängnisvorstellungen ablaufen. Schnell und harsch, negierte ich seine Bitte und zog mich im Boxenstopp-Tempo an.

In meinem Zimmer angekommen, atmete ich ruhig aus und bemerkte, dass aus einem asiatischen Mann, zwei wurden. Beide redselig, wie ein Stein. Ich nickte dem Neuen zu und warf mich ins Bett. Eine ordentliche Runde Schlaf, war jetzt fällig. Doch Fehl am Platz. Einer von ihnen hatte sein Handy zum Laden an die Steckdose gehängt. Ergebnis, war ein helles, kontinuierliches Strahlen, das den gesamten Raum erfüllte. Ich fühlte mich, wie im Operationsaal. Doch zerstörte sein abnormales Schnarchen, das Bild schnell und warf mich in eine Motorsägen-Show. Ich hatte Ohrstöpsel so tief im Ohr, dass ich das knittern der Watte hören konnte. Trotzdem drang sein Schnarchern schallend zu mir vor. Wie machte er das? Kaute er Nägel und Blech vor dem Einpennen? Wie sollte man unter solchen apokalyptischen Verhältnissen schlafen können? Mein anderer Zimmerpartner musste sich scheinbar heftige Schlaftabletten eingeworfen haben, denn er schlief wie ein Baby. Ich überlegte lange hin und her, bevor ich mich entschied auf zu stehen und sein Handy, das direkt neben seinem Gesicht lag, umzudrehen. Das Operationssaal-Problem war gelöst, nun musste ich jetzt der Motorsäge den Saft rauben. Es war mir unglaublich unangenehm, aber ich stupste ihn mehrmals an und sagte, dass seine Lautstärke meinen Schlaf störe. Er blieb weiterhin in seinem „Steinmodus“ und schwieg. Ich legte mich hin und versuchte die Augen zu schließen, was auch für einen kurzen Moment gelang, bis Zimmerpartner Nummer drei kam. Es war ein, etwas älterer und verwirrte, Franzose aus der Schweiz. Ich bat verzweifelt um Ruhe. Ein großer Fehler meinerseits. Hätte ich doch nur von meinen steinigen Brüder gelernt, denn nun hatte ich seine volle Aufmerksamkeit. Er stellte sich direkt vor meinem Bett und wiederholte mehrmals seine komplette Lebensgeschichte. Und das, obwohl ich mehrfach, um meine Ruhe bettelte. Liebenswerter Kerl, auch wenn er mich dem Suizid, gefährlich nahe brachte. Die Nacht über blieb ich wach, denn mein neuer französischer Freund, entschied sich fürs Simsen und dem lauten wiederholen der Nachrichten. Das wurde eine lange, lange, lange Nacht. Sie können sich vorstellen, wie ich mich am nächsten Morgen fühlte. Ich nahm drei Kaffee, schluckte eine Aspirin und ein Glas Bourbon und ging wieder zu Clarke Quay.

 
Ich saß alleine für mich und rätselte wie ich von hier aus, weiterkommen soll. Und wohin? Ich war absolut aufgeschmissen? Ich stand auf und lief über die Brücke. Ein ältere Inder mit Turban, weißen Haaren und weißem Bart, kam mir entgegen. Wir lächelten uns an und er fragte, woher ich komme. Wir sprachen kurz und er sagte zu mir, dass ich ein gesundes Lachen habe und ganz sicher, unglaublich alt werde. Mindestens hundert Jahre. Er selber sei siebenundvierzig. Diese Nachricht verwirrte mich. Ich schätzte ihn für älter ein und bedauerte mein Alter. Trotzdem erfreute mich seine Freundlichkeit und sein Optimismus. Wir verabschiedeten uns und ich ging mit neuer Hoffnung über die zweite Hälfte der Brücke. Unglaublich, wie nur wenige kurze Worte, einen großen Unterschied ausmachen konnten. Ich blieb auf de anderen Seite des Piers stehen und blickte auf das Wasser, als mich ein Mann mit schmutzigem Jeanshemd, Bart und Seemannsmütze ansprach. Er fragte mich, ob ich ihm mal kurz zur Hand gehen könnte. Ich nahm seine Bitte an und zusammen surrten wir Seile an seinem Schiff fest. Es war ein etwa achtzehn Meter großes Segelboot. Ein Schöner Anblick. Mary Lou hieß es. Der Mann stellte sich als John Roger, einen irischen Kapitän einer zehn Mann starken Truppe, vor. Auf meine Frage, wo diese blieben, antwortete er: J.D. Die Jungs hatten zu tief in die Flasche geschaut. Er fragte, was mich nach Singapur verschleppte und ich erzählte ihm von meiner Reise und meinem jetzigen Problem. Er lachte mich förmlich aus und ich bereute es ihm überhaupt anvertraut zu haben. Doch es stellte sich als Segen heraus. Roger und seine Truppe wollten nach Afrika. Doch mussten sie zunächst einige Orte abklappern, um Waren abzugeben und anzunehmen. Er wollte mich mit dabei haben. Ich sollte mir mit Arbeit und Schweiß meine Reise und mein Brot verdienen. Da ich weder die Orte kannte, noch auf einem Schiff je zuvor gearbeitet hatte, nahm ich es an. Und das, obwohl ich innerlich vor Nervosität zitterte. Der Mann, war mir fremd und wer sagte mir nicht, dass da unten ein Haufen Krimineller wartete, die meine Organe teuer weiterverkaufen würden. Doch mein Herz sagte mir, dass ich dem Angebot vertrauen kann. Wir besprachen die Details und ich bezog noch heute meine Kajüte. Ein hagerer, rothaariger Mann namens Patrick Smith, war bereits dort. Wir stellten uns vor und ich verstaute meine Sachen. Ein unheimlich sympathischer Kerl. Auch aus Irland wie Roger und mit derselben Lust die Welt zu sehen, wie ich. Er war schon von klein auf verliebt in die See. Sein Vater arbeitete auf einem Schiff und dessen Vater auch. Es lag ihnen förmlich im Blut. Wir beide begaben uns zum Mannschaftsraum und ich stellte mich allen vor. Es war eine lustige Truppe.

Männer wie Miquel aus Buenos Aires. Keith aus Manchester. Pauly aus Glasgow und viele Mehr. Meine Sorgen vom Schwarzmarkt, wurden schnell beseitigt und gemeinsam aßen wir Kartoffel und Roastbeef. Ich habe Kartoffel und gutes Beef vermisst, aber noch mehr die Gesellschaft bei Tisch. Es tat unheimlich gut, nicht mehr alleine im Restaurant zu essen und sich unerwünscht zu fühlen. Hier fühlte ich mich, wie in einer Familie. Sie genoßen meine Anwesenheit und ich bekam sehr schnell, den stereotypischen Titel: Der Yankee. Ich liebte meinen Spitznamen. Es war mein Erster, seit langer Zeit. Sie berichteten mir, das wir morgen nach Neuseeland aufbrechen würden und danach die Cook Islands anstanden. Ich brannte vor Aufregung. Wir tranken gemeinsam und legten uns zu Bett. Gott sei Dank, war Patrick ein Traum eines Zimmerpartners. Keine Töne oder Lichter bei Nacht. Ich dachte an den Inder zurück und überlegte, ob er ein Zeichen war. Wusste er von all dem und wollte mich optimistisch genug stimmen? Hätte ich, auch ohne seine positive Aura, geholfen? Da die Antworten jenseits meiner Reichweite lagen, entschied ich mich für den „Steinmodus“. Simples, stummes akzeptieren und schlafen.

Die ersten Sonnenstrahlen erschienen und wir worden grob aufgescheucht. Gott, es war halb fünf. Aber es störte mich nicht. Es war neu und aufregend, und das gefiel mir. Patrick und Miquel brachten mir bei, wie man die Seile korrekt löste und die Segel hießte. Pauly zeigte mir, wie ich in der Küche, was finde und Kapitän Roger erzählte mir, worauf es ankam beim steuern und beim lesen der Karte. Das Schiff verließ den Hafen und ich schrubbte den Boden. Eine müheselige und undankbare Arbeit. Doch ich war hellauf begeistert. Abenteuer lag in der Luft und ich durfte es hautnah erleben. Ich sah, wie Singapur kleiner und kleiner wurde und die See größer und größer. Ein aufregendes Gefühl. Innerlich lachte ich, wie ein Kind, obwohl zwischen durch immer mal wieder Zweifel erschienen. Die Tage verliefen ziemlich gleich. Ich ackerte wie ein Tier. Erst putze ich die einzelnen Kajüten, dann half ich beim Kochen in der Kombüse, Sortierte die Karten, übte Knoten binden, kontrollierte das Notfallset und übte mit Patrick einige Befehle und Fachbegriffe aus der Seemannssprache. Harry, der Skipper, unterstütze ihn dabei und lehrte mich, wie man sich an den Sternen orientierte. Ich lernte das „Backbord“ nach links und „Steuerbord“ nach rechts bedeuten. Das beim „Tackling“ das Ende einer Leine mit Takelgarn umwickelt werden musste und „Fock“ den Vorsegel meint. Ich fühlte mich, wie ein Schüler der bei Null anfing. Eine stressige, aber spannende Situation. Patrick schenkte mir ein Buch zu lesen. Es hieß der Alchimist. Er meinte, es sei absolut inspirierend für jeden der sich auf einer Reise bewegt. Egal ob spirituell oder physisch. Ich verschlang es. Der Junge sprach meine Seele. Nachts, wenn ich etwas Zeit für mich hatte, nahm ich das Buch und setzte mich damit aufs Deck. Ich las und starrte zwischen durch, über die Rehling, auf das dunkle und weite Meer. Ich atmete tief ein und aus, schmeckte das salzige Wasser in meinem Hals und roch die Algen. Ich kam vor, wie ein wahrer Abenteurer. Mit jedem Tag der Routine, gewann ich an Übung und wurde schneller. Ich entwickelte mich von einer anfängliche Last zu einer helfenden Hand. Roger und ich führten immer mal wieder zwischen durch tiefe Gespräche. Er habe drei Kinder und eine Frau zu Hause, die ihn jedes Mal sehnsüchtig erwarten. Dies sei seine Motivation, den Gefahren der See, erfolgreich zu trotzen. Er meinte die See erinnere ihn sehr an seine Frau. Manchmal erstrahlt sie, trägt ihn Windes gleich vorwärts und gibt ihm wärme. Andere Tage zeigt sie ihr hässliches Gesicht und versucht ihm jeglichen Verstand und Mut zu rauben, doch am Ende, belohnt sie ihn jedes mal mit einem schönen Sonnenaufgang. Ich genoss jeden Tag, obwohl ich zwischen durch immer wieder an die Menschen, denken musste, denen ich begegnet bin und an die, die ich verloren hatte. Ich musste auch oft an sie denken. Was sie wohl gerade tat? Die Tage vergingen und wir trafen nachts in Auckland, Neuseeland an. Eine wahrhaft schöne Stadt. Harry und Patrick erzählten mir, dass wir hier für drei Tage anlegten. Proviant aufstocken, Waren deponieren und abtransportieren standen an. Ich war aufgeregt. Was für wilde Abenteuer hier wohl, auf einen verrückten Seemann warteten?